shifting reality

Es gibt kein richtiges Lesen im valschen!

Das Gesicht der Antifa

with 21 comments

Im Zusammenhang mit der aktuellen Antifa-Blogdebatte und den schon wieder zurückgezogenen Unfug-Äußerungen des Gutachslers Holmes ist auf einem antideutschen Blog aus Berlin Folgendes zu lesen: „Die Fahne die derzeit am häufigsten in antifaschistisch dominierten Jugendzentren zu sehen ist, ist immer noch die Israelische. DDR-Fahnen, vor allem in der ostdeutschen Antifaszene sind eigentlich verboten, da die Ostzone, wenn sie auch etwas sozialer war als die BRD, ziemlich treffsicher als “typisch deutsch” analysiert wurde.“ „Derzeit wird in der Antifa zwischen Antideutschen und Antiimperialisten unterschieden, und auf der Seite der Antiimps sind viele der von Holmes favorisierten Anarchos zu finden. Daneben gibt es auch viele Antifas die zwischen den gerade erwähnten Polen angesiedelt sind und sich als antinational bezeichnen. Es gibt also allein was die grobe Einteilung “der Antifabewegung” betrifft drei große Strömungen, und eben nicht die Eine aus den 80er Jahren, welche mit DDR-Fahnen, Maokult und Kubafaible um die Häuser zog.“ Hmmm, abgesehen, dass die Antifa der 1980er mit DDR, Kuba und Mao nichts am Hut hatte (das gehört eher in die Zeit vor 1977 und zu damalaginen Splitterparteien) scheint das alles auch nur auf Berlin anwendbar zu sein. Bei uns in Nordwestdeutschland ist das alles völlig anders. Dass die Antifaszene in Antideutsche und Antiimperialisten zerfällt würde ich nicht sagen. Die dogmatische Art Antiimperialisten, die Israel als Feindstaat betrachtet und sich an nationalen Guerrillabewegungen orientiert würde ich bei den maoistischen Schlägern der RIM, Sekten wie Antiimperialista oder den Stalinisten der MLPD verorten, aber nicht bei Antifas und Autonomen.Und die Kurzform Antiimps bezeichnet bekanntlich das legale UnterstützerInnenumfeld der RAF, eine Szene, die es seit 12-15 Jahren nicht mehr gibt. Wenn bei uns von Antiimperialismus gesprochen wird, ist meist der Neue Antiimperialismus gemeint, der, begründet in den frühen Achtzigern, so neu auch nicht mehr ist und sehr viel mit der Solidarität mit Armutsbewegungen, Hungeraufständen, Bauernrevolten und Frauenkämpfen in der Dritten Welt zu tun hat und einem sozialrevolutionären Bezug auf den Kampf um das unmittelbare Existenzrecht. In Göttingen sind Linke oft gleichzeitig Antideutsche und Antiimperialisten. Sie gebrauchen Parolen wie “Deutschland muss sterben, damit wir leben können!” “Oder Mehr Bomben auf Dresden!”, sind aber oft auch für Palästina-Solidarität – wohlgemerkt auf Seiten der laizistischen Gruppen wie Fatah oder DFLP und gegen die Hamas. Antideutsche haben dort auch die Mobilisierung gegen Heiligendamm mitgetragen. In Hamburg sind Antideutsche tendenziell eher Altlinke 50+ ohne Szeneaktivitäten, die Antifa-Szene wird dort durch St.Pauli-Fans (klassische Autonome im Stil der Achtziger Jahre, auch wenn die erst 20 sind) und Sharp-Skins geprägt. In Bremen sind die VertreterInnen des Neuen Antiimperialismus gemeinsam mit Flüchtlingsselbstorganisationen wie Libasoli und Jugendliche ohne Grenzen der Mainstream der verbleibenden Restlinken.

In Hannover und Braunschweig sind die dortigen Antifa-Gruppen sowohl antimperialistisch als auch gegen Antisemitismus ausgerichtet und beziehen sich hinsichtlich des Israel-Palästina-Konflikts auf die „fortschrittlichen Kräfte in Israel und bei den PalästinenserInnen“, in Hannover-Linden ist zudem eine Vernetzung mit MigrantInnen-Selbstorganisationen vorhanden.  

Wenn ich sagen würde, welche Fahne für ein antifaschistisches Zentrum bei uns typisch ist, dann ist das entweder eine schwarze Flagge mit Totenkopf und gekreuzten Entermessern, oder schwarzrot mit schwarzrotem Stern.

21 Antworten

Subscribe to comments with RSS.

  1. So knapp und klar wie Du würde ich es nicht zusammenfassen:
    „In Hamburg sind Antideutsche tendenziell eher Altlinke 50+ ohne Szeneaktivitäten, die Antifa-Szene wird dort durch St.Pauli-Fans (klassische Autonome im Stil der Achtziger Jahre, auch wenn die erst 20 sind) und Sharp-Skins geprägt.“
    Aber völlig falsch liegst Du damit natürlich nicht. Die Hamburger Antifa ist sehr gut in der allgemeinen Jugendkultur (und der Kultur der nicht mehr ganz so Jungen, namentlich bei Musikern) verankert. Bei meinem Artikel drüben bei den „Bissigen“ war ich, wie selbstverständlich, von den fröhlich-anarchistischen Hamburger Verhältnissen ausgegangen. Danke für den Hinweis, dass es anderswo anders ist.

    Ja, der „Jolly Roger“ ist die typische Antifa-Flagge in Hamburg. Bei Kuba denken die „Erben der Vitalienbrüder“ wahrscheinlich zuerst an Rum und dann an Zigarren und dann an Karibikstrände und gute Musik – und erst viel später an Castro. Was ich völlig in Ordnung finde.

    Ich stelle auch immer wieder fest, wie unterschiedlich die Lebenserfahrungen – und die hässliche Xenphoben Ausschreitungen der frühen 90er sind entscheidende Lebenserfahrungen – sind. Oder das sie bei einigen Menschen offensichtlich fehlen.

    MartinM

    29. November 2007 at 0:00

  2. Es war auch wiedermal nur der Versuch einer Annäherung. Mein eigener Wahrnehmungshorizont ist geprägt durch die antifaschistischen Gruppen, die gemeinsam mit Flüchtlingen etwas bewirken wollen – und da fallen dann Andere raus oder werden von außen betrachtet. Die Wahrnehmungsweise von Otto Normal geht ganz an mir vorbei.

    che2001

    29. November 2007 at 1:02

  3. Hinsichtlich der Wahrnehmungsweise der Antifa seitens keineswegs politisch naiver Menschen bin ich in den letzten Tagen einige Illusionen los geworden. Bei „Otto Normal“ sind dem gemäß ware Abgründe zu erwarten …

    MartinM

    29. November 2007 at 10:51

  4. @Martin:

    Ich verstehe nicht mehr, daß Du da noch bloggst … früher habe ich das voll und ganz verstanden, aber in letzter Zeit ist da irgendwas verrutscht.

    momorulez

    29. November 2007 at 11:00

  5. Zu den Abgründen habe ich praktische Erfahrungen von früher.Als damals Conny getötet wurde und zwei Wochen später das Attentat auf Herrhausen war, bekam ich in der Kassenschlange von Allkauf einen Dialog zwischen Normalbürgers mit, in dem es hieß, der Staat habe „eine von denen umgebracht, und daher „töten die jetzt einen von der Gegenseite“. Als ich Flugblätter verteilte, die zur bundesweiten Conny-Demo am 25.11. aufforderte, sagte mir jemand „Jetzt habt Ihr Euren Horst Wessel!“. Und nochmal zum Thema Antifas/Antideutsche: In der Göttinger Drucksache, einem kostenlosen Szene-Info, waren regelmäßig in den letzten Jahren immer wieder Beiträge zu lesen, die der antideutschen Linie folgten, sich von allen Aktionen, die etwas mit Protest gegen Sozialabbau oder mit Imperialismus zu tun haben zu distanzieren,die kamen aber überwiegend aus anderen Städten. Was den Diskussionsstil und Sprachduktus angeht, hat sich der Einfluss der Antideutschen schon deutlich ausgewirkt; man betont sehr häufig die eigene Sensibilität gegenüber Antisemitismus und/oder das Existenzrecht Israel, markige antiimperialistische Parolen alten Stils hört man seltener.So vernünftig und vom Ansatz auch richtig das ist, es hat für mich teilweise etwas ritualhaftes, wie früher das unbedingte Sprechen von groß I und klein mensch noch im breitesten Biertischgespräch. Einerseits finde ich es sehr sinnvoll, sexistischen und rassistischen Strukturen auch sprachlich gegenzusteuern, denn Sprache konstruiert ja Realität. Andererseits ist das Plakative, Affirmative und Zwanghafte, wie diese Sprachregelungen daherkommen, eher lästig und kommt mir manchmal wie eine Art Ablassbrief vor: Indem ich politisch korrekt spreche, bin ich ein besserer Mensch. Ich habe ja über die letzten 25 Jahre mitbekommen, wie sich das Gesicht der Szene immer wieder verändert hat und da gesehen, wie die Modestile, Distinktionsbedürfnisse und geborgten Identitäten sich alle 5-10 Jahren verändert haben.Erst kamen die klassenbewussten Proleten, die eigentlich Bürgerkinder waren, dann die unerschrockenen Streetfighter, die Dreadlockträger in Schlabberhosen, die Hiphopper mit Chucks und Basecap,die politisch Korrekten mit einem sehr moralisierend-strengen Antisexismus, die Veganen,die Poplinken in Carharrt-Klamotten und seit so etwa 6 Jahren eben die Antideutschen, wobei das alles phasenweise ineinander über geht. Dabei ist zu sagen,dass im Gegensatz z.B. zu Spanien, Frankreich oder Griechenland linksradikal sein in Deutschland in erster Linie eine Jugendbewegung ist und es nur wenige Autonome jenseits der 30 gibt. Und dann stellt sich die Frage, inwieweit diese plakativen Szenemoden und -Identitäten immer Ausdruck einer langfristigen politischen Perspektive sind und inwieweit ein postpubertärer Tripp bzw.Adoleszens-Selbstbehauptungsverhalten, bei dem sich das radikale Auftreten und die Distinktion auch gegenüber älteren Szenegenerationen aus psychodynamischen Gründen ergeben.Auf der einen Seite ist auch das ja legitim, auf der anderen Seite sind die extremen Ausformungen, wie in der jüngeren Zeit Veganismus oder das Hardcore-Antideutschtum der Kampf um die Lufthoheit über das Zwanghafte. Wenn die Leute so richtig erwachsen sind, d.h. über 30, gibt sich das meist folgenlos. Da liegt aber der Hase im Pfeffer, wieso eine konzeptionell langfristig entwickelte, auf wirklich masterialistische, nämlich ökonomische Füße gestellte linksradikale Politik in Deutschland nicht möglich ist.

    che2001

    29. November 2007 at 12:01

  6. Das mit den Lebenserfahrungen finde ich ja besoonders bei Che immer wieder interessant. Da decken sich Geschichten, wenn man politisches und drastisches abzieht.

    ring2

    29. November 2007 at 12:07

  7. @ momorulez: Hätte ich meinen „Antifa“-Beitrag auf meinem „Senf“-Blog veröffentlicht, wäre er praktisch unbeachtet geblieben.

    MartinM

    29. November 2007 at 12:44

  8. Witzig fand ich ja anderswo zu lesen, in Göttingen wäre alles völlig anders als von mir dargestellt und ich wäre 15 Jahre nicht mehr dagewesen. 15 Wochen trifft es besser 😉

    che2001

    29. November 2007 at 12:59

  9. Che hat gesagt, ich soll das genau so bloggen:

    „Bin wahrscheinlich deshalb noch halbwegs heil, weil sich die Nazis im Alltag nicht in die Innenstadtregionen trauten, damals in den späten 80ern, frühen 90ern, und an der Polizei lag das nicht … “

    Ist tatsächlich der Fall. Aber laut manchem Blogger mit französischem Kosenamen liegt das nur daran, daß ich die falschen Klamotten trug und mich dadurch gewissermaßen selbst gefährdete. Das ist wie mit den Frauen, dem Mini-Rock und der Vergewaltigung …

    momorulez

    29. November 2007 at 14:18

  10. @MartinM:

    Ja, und so haste den Holmes nur provoziert und er kann gar nix für sein Geschreibsel 😉 …

    momorulez

    29. November 2007 at 14:19

  11. „Ich habe Blut gesehen“ schreibt ein Befürworter des Irak-Kriegs. Da hat sich wohl scheinbar das politische Lager geändert, in dem der Mann steht, aber sein eher nicht Charakter.Ein Freund von mir hatte ja schon beim NATO-Krieg gegen Jugoslawien hinsichtlich Fischer, Schröder und Scharping die Überlegung geäußert, ob bei ehemaligen Straßenkämpfern bzw. Pazifisten oder nacheinander beidem und jetzigen Kriegführenden nicht die Erotik des Handelns im Mittelpunkt stehen würde, das geile Gefühl, jetzt auch mal Bataillone losschicken zu dürfen, und das dringende Bedürfnis des Renegaten, zum endgültigen Vollzug seiner Konversion das zu tun, was man erbittert bekämpft hat. Nicht alle haben die Möglichkeiten, aber als geistige Haltung scheint es weiter verbreitet zu sein.

    che2001

    29. November 2007 at 17:53

  12. @MartinM
    Das da drüben ist nicht „Otto normal“ – nicht einmal entfernt. Bei mir im Stadtteil schließt sich ein nicht geringer Anteil von „Otto normal“ einer Antifa-Demo an, wenn er gerade am Einkaufen ist – und plötzlich sieht, dass Neonazis die Straße erobern wollen.

    Otto normal ist näher an der Antifa als an Spinner wie Holmes & Co.

    Dr. Dean

    29. November 2007 at 20:25

  13. Oh, der Holmes hätte auch ohne mich so gedacht – aber es nicht so deutlich geschrieben.

    Bei mir auch, Dr. Dean, aber ich weiß, dass Hamburg (oder Berlin, oder Göttingen) nicht repräsentativ für Deutschland sind. Schon 20 km östlich von Hamburg sieht die Welt ganz anders aus …

    MartinM

    29. November 2007 at 21:32

  14. Witzig fand ich ja anderswo zu lesen, in Göttingen wäre alles völlig anders als von mir dargestellt und ich wäre 15 Jahre nicht mehr dagewesen. 15 Wochen trifft es besser

    ich bezweifel ja gar nicht, dass du vielleicht doch häufiger in göttingen bist. wichtiger war mir in meinem comment: du beschreibst die „antifa“ in göttingen fehlerhaft. dazu muss man gar keine interna heranziehen, dazu genügt eine sichtung diverser homepages, der gödru oder anderer publikationen (zb. goest, mit eigener unterseite zu den antideutschen dort 😉 )

    ps: mit der regionalen verbreitung oder nicht verbreitung der fahne des staates israel hast du aber selbstverständlich recht.

    subwave

    30. November 2007 at 0:00

  15. Na, wir wissen ja auch alle, wer sich da rumtreibt 😉 … da färbt wohl was ab.

    momorulez

    30. November 2007 at 11:44

  16. Das ist zwar grundsätzlich richtig, aber ein Winsen an der Luhe oder Geesthacht ist trotzdem nicht mit Hoyerwerda oder Mügeln vergleichbar. Im Göttinger Umland gibt es aber schon gewisse Analogien, immerhin kamen ja die Glatzen dort überwiegend aus Northeim (Torsten Heise) und dem Solling.Ursprünglich gab es da sogar Bauernskins, die statt in DrMartens in Gummistiefeln aufmarschierten ;-).Und dann halt der Stahlhelm Hann Münden.In Bremen verläuft das Rechts-Links-Gefälle zwischen der Stadt und Bremerhaven.In den frühen Neunzigern gab es auch mal eine faschistische Jugendbewegung in Bremen, den Torfsturm.

    che2001

    30. November 2007 at 11:50

  17. Subwave,OK, da stimme ich Dir dann zu. Ich hatte mehr im Auge, dass es da ja mal kurzfristig zaghafte antideutsche Ansätze gab und auf einer eher formalen Ebene zumindest antideutsche Parolen/Teilpositionen angeeignet wurden. Da beginnt dann schon der Streit um Marxens Bart: Was ist antideutsch? Die Hardcore-antideutschen Positionen der Bahamas oder der ISF hätten in Göttingen gar keinen Boden, aber was vor 2000 noch unter dem Label antideutsch diskutiert wurde – der Hauptfeind steht im eigenen Land, gegen die Militarisierung der deutschen Außenpolitik, Infragestellung des Traditions-Antiimperialismus im Antifaschismus, Verbindung dieser Topics mit Wertkritik – das findet ja durchaus statt. Neben oder im Unterschied zu Antideutschtum im Sinne von Bahamas, ISF, Phase2, Ivo Bozic hat in autonome/antifaschistische Politik eine antideutsche Unterströmung Eingang gefunden – falls der Begriff hier Sinn macht. Ich bin mir uneins, unter welchem Terminus das zu etikettieren wäre oder ob überhaupt.

    che2001

    30. November 2007 at 12:25

  18. Den Goest-Beitrag und Einiges Andere aus der alten Heimat wollte ich eh bei mir verlinken, insofern ist der Hinweis Subwaves sozusagen mein mir vorauseilender Wille 😉

    che2001

    30. November 2007 at 14:05

  19. leider ist „Einiges Andere aus der alten Heimat“ gerade offline, zumindest alles was bei puk gehostet ist…

    subwave

    30. November 2007 at 16:51

  20. @ che2001 und martinm
    kennt ihr geesthacht??? udn evt da nen paar antifas
    weil sind grade dabei noch ne gruppe aufzubaun und brauchen dringend mitglieder
    bei interesse
    http://www.febw.blogsport.de
    lg
    jojo

    febw

    7. Oktober 2008 at 16:00

  21. Dank dir, nun endlich habe ich das wirklich kapiert

    Tomy Kirster

    3. Februar 2011 at 18:35


Hinterlasse einen Kommentar