shifting reality

Es gibt kein richtiges Lesen im valschen!

Gewalt

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Prolog

Dies ist nicht der Text, der ursprünglich für diese Woche geplant war. Zwei Umstände haben mich bewogen, hier und jetzt ein paar Überlegungen zu Gewalt und Gegengewalt zu formulieren. Die „Umstände“ lassen sich genauer spezifizieren: Im wesentlichen waren es zwei parallele Lektüren. Das eine war die Lektüre von Oskar Negts Buch über die 68er-Bewegung ([2]), das andere die der Text- und Kommentarschlachten im Netz, die durch Noah Sows abgesagte Veranstaltung in Fulda provoziert wurden.

Ich habe nicht vor, mich mit diesem Beitrag in das ideologische Kampfgeschehen zu werfen. Es sind inzwischen so viele Argumente, Bekenntnisse, Dummheiten, Beleidigungen und Rassismen ausgetauscht worden, daß ich nicht das Gefühl habe, in irgendeiner der erwähnten Kategorien noch etwas Substantielles beitragen zu können. Ich werde dennoch auf einen Aspekt eingehen, der zu Beginn der Auseinandersetzung am Rande eine Rolle spielte, nämlich den der Gewalt. Ich werde ihn gar nicht im Licht der Gegenwart betrachten, sondern aus dem Blickwinkel der Vergangenheit. Ob das für die gegenwärtige Diskussion und die erhitzten Gemüter irgendwie erhellend ist, wage ich zu bezweifeln, zumal ich die Angelegenheit nur zum Ausgangspunkt nehmen werde, um eine alte Debatte aus den 60er Jahren wieder ins Gedächtnis zu rufen.

Allerdings wird sich dabei zeigen, daß wichtige Debatten aus der damaligen Zeit offensichtlich keineswegs erledigt, sondern nur irgendwann aus dem politischen Diskurs sang- und klanglos verschwanden, ohne daß sich an den zugrunde liegenden Sachverhalten substantiell etwas geändert hätte. Dieser Befund ist zum einen natürlich beunruhigend, gibt mir aber zum anderen zumindest subjektiv das Gefühl, daß das, was ich hier mit diesem Blog versuche, nicht ganz irrelevant ist.

I

Falls es tatsächlich Leser geben sollte, die noch nichts von der „Fulda-Affäre“ mitbekommen haben, hier die Angelegenheit in Kürze: Die Moderatorin, Musikerin und Autorin Noah Sow sollte, eingeladen vom AStA der Hochschule Fulda, zu Rassismus sprechen. Als sie den Veranstaltungsraum betrat, traf sie beinahe der Schlag: Zur Beleuchtung diente eine Lampe, die in Gestalt eines Farbigen ausgeführt war, der die Livrée eines Bediensteten oder Sklaven trägt und einen Leuchter hochhält. Daß die Autorin auf dem Absatz umdrehte und wieder nach Hause fuhr, sollte eigentlich niemanden verwundern.

In ihrem Blog berichtete sie dann davon und verlinkte auf ein Photo der Lampe mit dem Warnhinweis: „Achtung: Bild nicht gewaltfrei“. Daran und an einem unterstützenden Text von Nadine Lantzsch entzündete sich dann eine zum Teil bizarre Schlammschlacht, die ich hier nicht weiter nachzeichnen will. Ich will nur eines der mehrfach geäußerten Argumente herausnehmen: Daß von „Gewalt“ im Zusammenhang mit einer Lampe ja wohl nicht die Rede sein könne, Gewalt sei das, was irgendwelche Hooligans oder Neonazis ausüben würden; die Lampe jedoch sei eine Geschmacklosigkeit, möglicherweise auch diskriminierend, aber Gewalt sei ja doch etwas völlig anderes, da möge sie, die Autorin, doch ein bißchen differenzieren. Ihre Befindlichkeiten seien eine Beleidigung für die Opfer manifester rassistischer Gewalt.

II

Wahrscheinlich machen die meisten, die sich mit irgendwelchen Arten von Theorie beschäftigen, gelegentlich diese Erfahrung: Man wälzt ein Problem im Kopf herum und versucht, einen Sinn in disparate Erscheinungen zu bringen; dann liest man irgendeinen Text und stolpert auf einmal über eine Bemerkung, die einem schlagartig genau den Sinnzusammenhang enthüllt, nach dem man hilflos herumgetastet hatte. Bei mir war das letzte Woche die Lektüre von Oskar Negts Achtundsechzig. Ich hatte hier ja schon länger am Problem der Gewalt herumgedoktort: Ausgehend von den Autobiographien zweier „bewaffneter Kämpferinnen“ aus der Bewegung 2. Juni und der RAF habe ich angefangen, der Frage nachzugehen, warum die antiautoritären Bewegungen innerhalb von zehn Jahren in die blutige Katastrophe des Deutschen Herbstes hineinstolpern konnten. Eigentlich sollte dies nur ein kleiner Exkurs werden, der mich nun aber schon seit Wochen beschäftigt.

So greift beispielsweise der Artikel, der eigentlich heute an dieser Stelle erscheinen sollte und der nächste Woche nachgeholt wird, weit aus bis zurück in die 50er Jahre, um die Repression zu schildern, mit der sich auch nur halbwegs politisch interessierte Studenten herumschlagen mußten. Langsam schwante mir also selbst, daß das Thema der Gewalt einen viel größeren Stellenwert verdient, als ich ihm bislang zugestanden hätte: Die Gewaltfrage war für mich immer einer Frage des Niedergangs der Bewegungen. Tatsächlich steht sie aber im Zentrum bereits ihrer Entstehung – und genau dies thematisiert Negt im ersten Teil seines Buches: „Kein Thema kennzeichnet deutlicher die atmosphärischen Veränderungen der bundesrepublikanischen Gesellschaft zur Zeit der außerparlamentarischen Proteste als das der Gewalt.“ ([2], S.58)

Denn die frühe BRD-Gesellschaft verstand sich selbst – und dies ist der entscheidende Punkt an Negts Argumentation – als gewaltfrei. Im Gegensatz zum Nationalsozialismus, den man als bloße Gewaltherrschaft mißverstand (um nicht zu sagen: mißverstehen wollte), bildete sich die Politik der Nachkriegszeit ein, sie hätte ein System von Institutionen und Organisationen geschaffen, mit dem die nationalsozialistische Vergangenheit bewältigt sei.

„Trotzdem war es ein angstbesetzter Institutionalismus. Man mußte ihn so verteidigen, als wäre er gesellschaftliche Natur. Den Institutionen wurde aufgebürdet, was an lebendigem demokratischen Verhalten in der Gesellschaft zunehmend verlorengegangen war. Es bildete sich, in Gesinnungen und politischer Praxis, um diese Weltanschauung der festgefügten Institutionen herum das sogenannte Establishment, die etablierte Ordnung. Eine gute und vor Selbstgerechtigkeit strotzende Gesellschaft, die alles, was radikale Kritik an diesem Zustand übte, in Gewaltverdacht brachte und mit innerstaatlichen Feinderklärungen auszugrenzen versuchte.“ ([2], S.59)

III

Tatsächlich sind die rechtsstaatlichen Institutionen der bürgerlichen Gesellschaft durchaus ein Versuch, Gewalt aus den gesellschaftlichen Beziehungen zu verbannen. Ihre Entstehung verdankt sich ja gerade dem Abwehrkampf gegen feudale Willkür. Rechtssicherheit gegen Geld war der Deal, den das Bürgertum zunächst mit der absolutistischen Zentralmacht gegen den Feudalismus abschloß, später dann in republikanischen Verfassungen zementierte. Der Staat garantiert durch seine Institutionen die formelle Gleichheit der Gesellschaftsmitglieder und hebelt die unmittelbaren Macht- und Gewaltverhältnisse aus. Unmittelbare Gewalt wird aus den gesellschaftlichen Verhältnissen verbannt und an Institutionen delegiert, die darauf das alleinige Monopol besitzen.

Diese Gewaltlosigkeit ist Wahrheit und Schein zugleich, und als solche Ideologie, nämlich die Ideologie der bürgerlichen Klasse (auf den Punkt gebracht hat das bekanntlich Anatole France: „Die großartige »Gleichheit vor dem Gesetz« verbietet den Reichen wie den Armen, unter Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln oder Brot zu stehlen.“) Indem die bloß formale Gleichheit die sehr unterschiedlichen Lebensumstände und Machtpositionen der Gesellschaftsmitglieder außen vor läßt, konstituiert sie eine neue Form von Gewalt, die sich in den gesellschaftlichen Institutionen verdinglicht.

IV

Nach den Erfahrungen des Nationalsozialismus und angesichts der Bedrohung durch den Kommunismus (sei diese nun real oder eingebildet), feierte diese Ideologie der Gewaltfreiheit noch einmal fröhliche Urstände in der BRD. Doch ihren inneren Widersprüchen entkam sie nicht.

Eine der Institutionen, in der das bereits sehr früh zu Tage trat, war die Universität. Einerseits trug sie das hehre Ideal einer Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden vor sich her, brüstete sich damit, daß sie als wissenschaftliche Institution über jeden Ideologieverdacht erhaben sei und daß in der wissenschaftlichen Gemeinschaft allein Sachargumente den Diskurs bestimmen würden. Faktisch wurde aber jede noch so zaghafte Kritik an den bestehenden Institutionen sofort unnachgiebig geahndet. Das letzte Woche dargestellte Redeverbot für Erich Kuby an der Freien Universität in Berlin war dabei nur die Spitze des Eisbergs.

Die von dieser institutionalisierten Gewalt unmittelbar und mittelbar Betroffenen beginnen Mitte der 60er Jahre, sich dagegen zu wehren, zunächst mit rein symbolischer Gegengewalt: Sitzblockaden, Abweichungen von genehmigten Demonstrationsrouten, Eier- und Tomatenwürfe. Das Resultat ist verblüffend:

„Dieses Institutionensystem, das Gewaltlosigkeit zum Prinzip hat, enthüllt plötzlich ein Ausmaß von Gewalt, von dem viele, die selbst gar nicht mit der Außerparlamentarischen Opposition sympathisieren, aufs Höchste überrascht und betroffen sind.“ ([2], S.60)

V

Die Abwehrstrategie, mit der die dafür Verantwortlichen den Umschlag von institutionalisierter Gewalt in manifeste Gewalt außerhalb jeder Verhältnismäßigkeit begründeten, war stereotyp die selbe: Die Opfer der Repression wurden zu den eigentlichen Aggressoren gestempelt. Noch der Tod von Benno Ohnesorg wird versucht, den niedergeknüppelten Demonstranten gegen den Schah in die Schuhe zu schieben. Der regierende Bürgermeister von Westberlin ließ am 3. Juni 1967 verlautbaren:

„Die Geduld der Stadt ist am Ende. Einige Dutzend Demonstranten, unter ihnen auch Studenten, haben sich das traurige Verdienst erworben, nicht nur einen Gast der Bundesrepublik Deutschland in der deutschen Hauptstadt beschimpft und beleidigt zu haben, sondern auf ihr Konto gehen auch ein Toter und zahlreiche Verletzte – Polizeibeamte und Demonstranten.“ (zit. nach [1], S389f)

Diese Erfahrungen zogen dann durchaus differenzierte Debatten über die verschiedenen Formen von Gewalt nach sich: Von der latenten, institutionellen Gewalt zu den manifesten Formen in randständigen Institutionen wie Heimen oder Psychatrien, hin zur Polizeigewalt, deren Opfer man selbst schnell werden konnte, bis zur militärischen Gewalt, mit der Vietnam in die Steinzeit zurückgebombt werden sollte. Und es wurde über die Legitimität und die möglichen Formen von Gegengewalt diskutiert. Von diesen Debatten ist leider nicht mehr viel im öffentlichen Bewußtsein übriggeblieben: Sie sind spätestens 1977 im Blutbad des Deutschen Herbstes erstickt.

VI

Offensichtlich haben wir jetzt wieder diesen seligen Bewußtseinsstand erreicht, in dem eine „gute und vor Selbstgerechtigkeit strotzende Gesellschaft“ Gewalt nurmehr dort erkennen will, wo Hooligans, Neonazis oder jugendliche Randalierer zuschlagen. Der Verweis auf andere Formen der Gewalt, die nicht von randständigen Gruppen ausgehen, sondern sich in der Mitte der Gesellschaft manifestieren, provoziert wieder die gleichen Abwehrreaktionen wie vor fünfzig Jahren: Wer auf die Probleme aufmerksam macht, wird als der eigentliche Aggressor gebrandmarkt. Was an Schuldzuweisungen, persönlichen Unterstellungen und Diffamierungen in der letzten Woche über Noah Sow und Unterstützerinnen wie Nadine Lantzsch ausgekübelt wurde, steht in keinem Verhältnis zum eigentlichen Anlaß, sondern erinnert an die hysterischen Reaktionen von vor ’68. Willkommen zurück in den 50er Jahren.

Literaturverzeichnis

[1] von Friedeburg, L.; Horlemann, J.; Hübner, P.; Kadritzke, U.; Ritsert, J. & Schumm, W., Freie Universität und politisches Potential der Studenten, Neuwied und Berlin 1968.

[2] Negt, O., Achtundsechzig. Politische Intellektuelle und die Macht, Frankfurt a.M. 1998.

Written by alterbolschewik

4. November 2011 um 15:23

Veröffentlicht in Nicht kategorisiert

18 Antworten

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  1. Dies ist ein sehr guter Text, welcher diese Frage der Gewalt in eine umfassende (sozialphilosophische) Dimension rückt. Insbesondere der Antagonismus von formaler Gleichheit und Gewalt – u. a. vermittelt über die Äußerung von A. France – lädt geradezu zum Nachdenken ein.

    Die Cause Nadine Lantzsch sehe ich allerdings ein wenig anders, dahinter verbirgt sich nicht nur eine Form von Solidarisierung, sondern zugleich machtpolitisches Kalkül. Was ich von Nadine Lantzsch halte, habe ich bei Momorulez drüben in dem Threat „Lesen“ kundgetan.

    Bersarin

    4. November 2011 at 18:07

    • Es geht mir nicht um die Person Lantzsch und deren mögliche Motivation. Ich kenne die Frau nicht und habe nach Lektüre der zur Diskussion stehenden Texte auch kein gesteigertes Interesse, mehr von ihr zu lesen. Aber darum geht es gar nicht, sondern um ihre Gegner, die souverän den Inhalt ihrer Stellungnahmen ignorieren und sich entweder an der Form aufhängen oder gleich auf die persönliche Ebene ausweichen, um sie zu diskreditieren. Da setzt bei mir ganz reflexhaft erst einmal ein Solidarisierungseffekt ein.
      Wenn sich die ganze Aufregung gelegt hat, kann meinethalben auch über den zulässigen oder unzulässigen Hegemonialanspruch von universitär-mittelständischem Gendergeblubber diskutiert werden, aber nicht so lange eine konkrete Person derart im Feuer von Leuten steht, die bestenfalls Stammtischniveau erreichen.

      alterbolschewik

      5. November 2011 at 10:50

  2. @Bersarin:

    Wäre ich heute in Konfrontationslaune, so würde ich jetzt los wettern „Und machtpolitisches Kalkül ist freilich Frauen nicht zuzugestehen“. Diesem folgen die meisten Männer ja auch sehr oft; und so hattest Du das bei mir auch nicht geschrieben. Zudem wir ja von Foucault (und aus dem Alltag) wissen, dass Orte außerhalb „der Macht“ nun so leicht nicht zu finden sind. Bei der Gesamtfrage nach dominanter Kultur etc. geht da sogar von vornherein darum.

    @Alterbolschewik:

    Ausgangspunkt des Konfliktes in Fulda war auch, dass der PoC-Begriff den Veranstaltern nicht bekannt war. Vielleicht kann man den „Farbigen“ da oben aus dem Text nehmen und dann grübeln, wieso es so schwer ist, gerade bei dieser Lampe nun ein Wort zu finden, mit dem man sie bezeichnen mag, was andernorts für allerlei pubertäres Gekicher sorgte. Der „Farbige“ ist freilich keine Übersetzung von PoC 😉 … bitte ums Redigieren.

    Ganz generell finde ich interessant und versuche das nüchtern zu formulieren, weil ich den Text gut finde und Deine Herangehensweise mag, dass sehr schnell wieder die weiße, linken Studenten zugefügte Gewalt Sujet wird und dahinter das, was gelungen als Auftakt gewählt ist, verschwindet. Das ist manchmal eine insofern etwas narzißtische Geschichtsschreibung, dass das retrospektiv was fehlt – „Vietnam“ taucht dann sehr häufig noch als irgendwas auf, wogegen europäische und US-Studenten auf die Straße gingen, ebenso der Schah – der antikoloniale Kontext, der verschwindet aber, obwohl das damals durchaus in dem Zusammenhang diskutiert wurde, und die RAF berief sich ja, was dessen Rezeption nachhaltig geschadet hat, weil die für mich heute primär Idioten waren und evtl. sogar von Geheimdiensten unterwandert waren und irgendwann nur noch die Gefangenenbefreiung im Kopf hatten, z.B. auf Frantz Fanon. Im französischen ’68 war der Algerienkrieg ganz entscheidend Vorgeschichte, auf Jean-Paul Sartres, von Adorniten gerne verlacht, Wohnung wurden Anschläge verübt, dessen Vorwort zu Fanon treibt bis heute Leuten Zornesröte ins Gesicht, weil im Gegensatz zu anderen die Kategorie „Weiß“ kritisch verwandte – im Falles dieses Krieges ging es noch um einiges heftiger zur Sache, in Frankreich:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Paris_1961

    und dortselbst noch mehr. Auch beim Schah ist vorsichtshalber dessen Rolle im Iran aus den Köppen verschwunden, weil die Ayatollahs danach so furchtbar waren. Und das, was Du über das formale Regularium des Rechsstaates schreibt, ist bis heute Grund für Kriege – indem man z.B. Iraker platt bombt, um da angeblich einen etablieren zu wollen.

    Will sagen: Das ist tatsächlich im Kolonial-Zusammenhang zu sehen, wie man immer wieder an Immanuel Kant aufzeigen kann – die einerseits so grandiose „Instrumentalsiere Niemanden!“-Moralphilosphie, in deren Zuge dann mal eben nebenbei die nur der Neigung folgenden „Südseebewohner“ abgewatscht wurden, die zu Zivilsierenden. Der bürgerliche Rechtsstaat hat nicht nur dem SDS die Schnauze poliert, der hat auch im Zuge seiner Etablierung sozusagen als Schatten die Kolonien als das Andere mit hervor gebracht, mal sehr oberflächlich formuliert. Das taucht in jeder „Ehrenmord“-Diskussion wieder auf, das Motiv. Und ist doch einer der Punkte, an dem diese Leute immer ausrasten: Man nimmt ihnen das Gefühl, im Zuge des „Verfassungspatriotismus“ als die vollends Aufgeklärten weiterhin ganz oben in der Nahrungskette der Evolution politischer Institutionen Gott und die Welt belehren zu „dürfen“.

    Ich weiß auch, dass Du alles weißt. Was mich so verblüfft, ist, dass Du es immer weg lässt, schon bei der Popmusikgeschichtsschreibung. Es gibt bei Dir immer so am Rande als Motivation der heroisch kämpfenden Linken – verzeih mir die Ironie – noch ein bißchen Schah, ein bißchen Vietnam, R&B kommt auch irgendwo her, Stonewall, der Weiberrat oder die Black Panthers sind gar nicht mehr präsent.

    Warum? Ich glaube, dass das, was ich gerade nur in Andeutungen schreibe, einer der Gründe für die die absurden Züge war, die der Konflikt angenommen hat: Weiße Deutsche okkupieren das Antirassismus-Feld, weil sie selbst da so eine heroische Geschichte haben, und brauchen dann auch mal ’ne PoC-Autorin, damit das Ganze sich im Programm irgendwie runder macht. Dumm gelaufen, dass die Veranstaltung zu Abschiebungen gerade parallel läuft, Du. Und dieses Selbstbild wird infrage gestellt, und die Kacke ist am Dampfen, aber wie! Und dann passiert genau dieser 50er-Jahre-Flashback, warum wohl?

    momorulez

    4. November 2011 at 19:06

    • @momorules: Eigentlich wollte ich mit einer scharfen Erwiderung kontern, daß Du mir nicht vorzuschreiben hast, worüber ich in meinen Blog-Beiträgen zu schreiben habe; und daß das eine Anmaßung ist, der ich zur Genüge von den ganzen Lehrer-, Juristen- und Unternehmersöhnchen kenne, die schon während meiner Schulzeit meinten, sie hätten die Definitionsmacht darüber, was angesagt und korrekt ist und was nicht; und daß in solchen Anmaßungen eine bestimmte Klassenposition zum Ausdruck kommt, nämlich die einer bürgerlichen Klasse, die ihr partikulares Sprechen immer als ein allgemeines ausgibt.

      Doch nach reiflicher Überlegung habe ich davon Abstand genommen und werde sine ira et studio auf deine Einwürfe antworten (was jetzt eine elegante rhetorischen Volte war, um Dampf abzulassen und es gleich wieder zurückzunehmen).

      Bei der Beschreibung der Lampe habe ich mir sehr gründlich überlegt, wie ich die Figur bezeichnen will. PoC oder irgend ein Äquivalent zu verwenden, wäre mir unpassend erschienen, denn es ist eben nicht die Abbildung eines PoC, sondern die eines rassistisch-kolonialistischen Stereotyps. Die mir am elegantesten erscheinende Lösung wäre eigentlich „coloured boy“ in Anführungszeichen gewesen, weil damit genau das rassistische Stereotyp bezeichnet würde, das der „Künstler“ zum Ausdruck bringen wollte. Aber mir war klar, daß das nicht verstanden werden würde und ich einen shitstorm des Inhalts am Hals gehabt hätte, daß der Alte Bolschewik PoC als „coloured boys“ bezeichnen würde. Ging also nicht. „Schwarz“ schien mir auch unpassend, weil es als Übersetzung von black in meinem Sprachgefühl viel zu sehr mit black pride oder black power konnotiert ist; diesem jämmerlichen Machwerk wäre das nicht angemessen. „Farbig“ schien mir dann der sprachlich angemessenste Kompromiß, ich bin da aber für Diskussionen offen.

      Daß ich bislang den antikolonialen Aspekt der antiautoritären Bewegungen systematisch ausblende, ist nicht meinem persönlichen Narzißmus geschuldet, der sich mit weißen, männlichen, heterosexuellen Studenten identifiziert. Das ist mir nicht unterschwellig unterlaufen, sondern das ist durchaus gewollt, genauso wie ich bislang weder auf die Frauenbewegung noch auf die Schwulen zu sprechen gekommen bin.

      Bei letzteren ist der Grund einfach: Sie kommen bislang genauso wenig vor wie die maoistischen K-Gruppen, weil sie der Massenbewegung nachgelagert sind, die der 2. Juni 1967 als Ereignis hervorbrachte. Ich laboriere immer noch an der Frage herum, was eigentlich die subjektiven Erfahrungen waren, die die Bedingung dafür waren, daß der 2. Juni einen derartigen historischen Einschnitt darstellen konnte, daß ganze Biographien kippten und auf den Kopf gestellt wurden. Die Emanzipationsbewegungen der Frauen oder der Schwulen sind Reaktionen auf die (zum Teil sehr bitteren) Erfahrung innerhalb der Massenbewegung und Teil ihres Zerfallsprozesses. Hier bitte ich Dich einfach um Geduld.

      Was die antikolonialen Befreiungebewegungen betrifft, so kämpfe ich noch mit massiven historischen und theoretischen Problemen. Ich kann zum Beispiel immer noch nicht einschätzen, inwieweit die Realität der antikolonialen Kämpfe im Bewußtsein der damaligen Protagonisten präsent war und inwieweit sie nur als reine Projektionsflächen dienten. Und welche Rolle spielten in der Wahrnehmung der antikolonialen Bewegungen die stereotypen Zuschreibungen aus der Kalten-Kriegs-Konfrontation? Und wie spielte die Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit hier mit hinein (das betrifft zum Beispiel die Wahrnehmung des Einsatzes von Ex-Nazis als Söldner in Afrika)? Das sind alles komplizierte Fragen, denen ich mich einfach noch nicht gewachsen fühle – ich betreibe das hier ja nicht als 40-Stunden-Forschungsprojekt, sondern neben Lohnarbeit und einer ganzen Reihe anderer Aktivitäten.

      Noch ein Wort zu Algerien: In der BRD hat das, außerhalb von trotzkistischen Kreisen, die über die IV. Internationale involviert waren, in der sonstigen Linken kein Schwein interessiert. Und auch in Frankreich hat das, fürchte ich, für die Neue Linke weniger Bedeutung gehabt, als Du unterstellst. Das von Dir verlinkte Massaker in Paris wurde von der französischen Linken erst 1984 zur Kenntnis genommen, als Didier Daeninckx es in seinem Roman Meurtres pour mémoire thematisierte. Was ich jedenfalls versprechen kann: Fanon wird noch diesen Monat Gegenstand sein, weil er für die Gewalt-Diskussion ab 1967 essentiell ist.

      alterbolschewik

      5. November 2011 at 12:21

  3. Es würde mich betroffen machen, falls sich Nadine etwas antun würde (glaube ich nicht; aber alles ist möglich). Da spielt gewiß auch die Gehässigkeit des Don Alphonsos eine Rolle. Aber letztlich ist das unvermeidlich. Wem es so schwerfällt, die Reaktionen des Internetvolkes richtig wahrzunehmen, und einzuschätzen und korrekt darauf zu reagieren, dem ist einfach nicht zu helfen. Ihre Freundin hat ja den Watzlawiak („Anleitung zum Unglücklichsein“) ins Spiel gebracht. Ludwig Binswanger kannte ich bisher noch nicht („Drei Formen mißglückten Daseins: Verstiegenheit, Verschrobenheit, Manieriertheit“).

    Kurz: Der Internetpöbel ist nur zum Teil für diese Posse verantwortlich. Bis auf Dons Gehässigkeit spielt die Person Nadines nur eine untergeordnete Rolle. Es ist nur so, daß man den Gender-Feminismus nicht ernst nimmt. Das nehmen die Feministen dann in ihren Schutzräumen als Respektlosigkeit wahr. Aber Respektlosigkeit zeichnet auch Nadines Kommunikationsverhalten aus.

    georgi

    4. November 2011 at 21:29

    • @georgi: Ich denke, in meiner Antwort an Bersarin ist auch bereits die Antwort an Dich enthalten.

      alterbolschewik

      5. November 2011 at 12:25

  4. @Alter Bolschewik:

    „Eigentlich wollte ich mit einer scharfen Erwiderung kontern, daß Du mir nicht vorzuschreiben hast, worüber ich in meinen Blog-Beiträgen zu schreiben habe; und daß das eine Anmaßung ist, der ich zur Genüge von den ganzen Lehrer-, Juristen- und Unternehmersöhnchen kenne, die schon während meiner Schulzeit meinten, sie hätten die Definitionsmacht darüber, was angesagt und korrekt ist und was nicht; und daß in solchen Anmaßungen eine bestimmte Klassenposition zum Ausdruck kommt, nämlich die einer bürgerlichen Klasse, die ihr partikulares Sprechen immer als ein allgemeines ausgibt.

    Oh Schreck, jetzt geht das hier auch schon los 😀 … ganz schön bürgerlich, auf Kolonialgeschichte, die Black Panther, Stonewall und die Rolle des Schah zu verweisen, unter einer einem Text, der ganz und gar das Alltagserleben aus der Perspektive der Arbeiterschaft Chinas formuliert.

    Will aber gar nicht wettern, die Präzisierungen sind ja ganz interessant. Zum einen, weil vielleicht bei dem „Farbigen“ weniger Dein Sprachgefühl maßgeblich ist?

    „Ich kann zum Beispiel immer noch nicht einschätzen, inwieweit die Realität der antikolonialen Kämpfe im Bewußtsein der damaligen Protagonisten präsent war und inwieweit sie nur als reine Projektionsflächen dienten.“

    Das ist ja bis heute mabchmal so bei denen, die sich überhaupt damit beschäftigen, vielleicht auch bei mir. In meiner Real-Life-Arbeit versuche ich schon, die marginalisierten und aus der Geschichtsschreibung getilgten Stimmen zu Gehör zu bringen, so weit das möglich ist. Meistens will das keiner hören.

    Weil diese Weglassungen ja nichts Schönes für die sind, denen man dann Geschichte nicht zugesteht; in Kalifornien gab es sogar eine Volksabstimmung dagegen, schwule Geschichte in Schulen zu unterrichten. Obwohl man da ja schon das Bedürfnis hat, dass das auch mal erzählt wird.

    Und es ist tatsächlich in Deutschland ein Dilemma, dass die Kolonialgeschichte hinter der Aufarbeitung des Nationalsozialismus verschwindet. Gerade für die 60er Jahre ist das ja noch um einiges plausibler als heute, nicht, weil man aufzuhören hätte, die Vorgeschichte der Shoah zu erhellen, sondern weil die Kolonialgeschichte da mit dazu gehört. Habe aber eher das gegenteilige Gefühl – während noch in den späten 80ern im Zuge der Kritik all der „Zentrismen“ manchmal vor lauter Kritik des Eurozentrismus und des Kulturimperialismus oft über das Ziel hinaus geschossen wurde, scheint mir in den letzten 10 Jahren gerade auf der Feld-, Wald- und Wiesenlinken doch eine starke Restauration bemerkbar – wenn Che darunter leidet, dass seine Aufrufe zur Flüchtlingspolitik ungehört verhallen, könnte das ja damit zusammen hängen.

    Und ich würde mich freuen, wenn Hinweise darauf nicht mit dem Richtersöhnchen, das ich bin, gekontert würde. Dessen Perspektive hatte ich eigentlich nun gerade nicht eingeklagt, wenn Du noch mal hin liest.

    Es sei denn, Du hälst Stonewall für eine Verbürgerlichung der Arbeiterschaft, wovon ich nicht ausgehe 😉 …

    momorulez

    6. November 2011 at 16:54

    • Momorulez, ich weiß ja, daß solche Anwürfe nicht gerechtfertigt sind, deswegen habe ich das ja sozusagen in Parenthese gesetzt. Aber hinter dieser Ungerechtigkeit stecken auch ganz subjektive Erfahrungen, die etwas mit Klassengeschichte zu tun haben. Und mit „bürgerlich“ meine ich nicht irgendwelche Inhalte, sondern erst einmal einen Gestus des Einforderns gegenüber Subalternen, der Dir wahrscheinlich gar nicht bewußt ist, der mich aber schon immer auf die Palme gebracht hat. Ich müßte jetzt weiter ausholen, wozu mir im Moment die Zeit fehlt, ich muß gleich los, weil meine Geliebte mich erwartet.

      Inhaltlich gebe ich Dir völlig recht, daß die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte völlig unterbelichtet ist. Das Problem ist nur, daß das auch in den antiautoritären Bewegungen nicht wirklich ein Thema war. Das Einzige, was mir wirklich aus den Jahren von ’68 Jahren bekannt ist, sind einerseits die sogenannten „Kofferträger“ für die algerische FLN; andererseits gab’s die Auseinandersetzugen um Kongo-Müller. Es gibt sicherlich noch mehr, aber da braucht es von meiner Seite noch Recherche.

      Ich würde sehr gerne auch über die Repression schreiben, der Arbeiterjugendliche ausgesetzt waren, aber auch hier ist die Literatur- und Quellenlage jämmerlich. Ich spiele da gerade mit dem Gedanken, mit Interviews zu arbeiten, was aber ziemlich zeitaufwendig ist.

      Was ich damit eigentlich sagen will: Ich schätze Deine Einwürfe und Anregungen, den Verweis auf blinde Flecken; aber ich bin mir der meisten durchaus selbst bewußt. Dennoch wird’s zum Beispiel die nächsten beiden Wochen um Repression gehen, die gegen Studenten ausgeübt wurde – nicht gegen Frauen, nicht gegen Schwule, nicht gegen Migranten, nicht gegen Arbeiterjugendliche: Einfach weil ich darüber gut dokumentiertes Material aus dieser Zeit habe. Das ist bedauerlich, aber es ist erst mal so. Ich werde mich aber bemühen, meine Recherche auch in die anderen Richtungen auszudehnen.

      alterbolschewik

      6. November 2011 at 18:38

  5. „sondern erst einmal einen Gestus des Einforderns gegenüber Subalternen,

    Das musst Du mir aber mal erläutern, inwiefern Du Dich mir gegenüber als „subaltern“ erfindest 😉 – da wittere ich ja einen Klassiker …

    momorulez

    9. November 2011 at 11:20

  6. Möchte ja der Antwort des Alten Bolschewiken nicht vorgreifen, sehe hier aber die Reaktion des Arbeitersohnes auf den Tonfall des Bildungsbürgers.

    che2001

    10. November 2011 at 22:53

    • Che, Du hast völlig recht, das ist in ungefähr die Kurzfassung. In der Langfassung haben momorulez und ich das außerhalb dieses blogs unter uns geklärt 🙂

      alterbolschewik

      11. November 2011 at 8:25

  7. @“inwieweit die Realität der antikolonialen Kämpfe im Bewußtsein der damaligen Protagonisten präsent war und inwieweit sie nur als reine Projektionsflächen dienten.“—- Gibt da nen schönen Text von Eckart Siepmann mit dem Titel „Maos Sonne über Mönchengladbach. Die Sehnsucht der Intellektuellen nach dem Einfachen“, der sich mit geborgten Identitäten in der damaligen Berwegung beschäftigt.

    che2001

    11. November 2011 at 12:55

  8. Ja, ja, und dann zeige ich mich, und muss mich dafür noch anmachen lassen 😉 … und sind damals Studenten nicht für die gleichen Bildungschancen von Arbeiterkindern auf die Straße gegangen?

    Und wir haben uns sehr nett gemailt, Danke!; für den öffentlichen Diskurs finde ich das trotzdem grenzwertig, das Anmahnen von PoC-, Frauen-, Schwulen und Lesbengeschichtsschreibung nun mit dem Verweis auf bildungsbürgerliche Ausdrucksformen zurück zu weisen. Ist ja nun nicht so, dass freundlich gesonnen die Arbeiterschaft als solche nun sonderlich pfleglich mit Schwulen umgegangen ist, meines Wissens. Der alte „Nebenwiderspruch“ taucht ja noch in der Antwort des Alten Bolschewiken irgendwie mit auf, das hatten wir auch schon mal in einer anderen Diskussion mit einem anderen Blog, und Schwulsein als dekadent-verweichlichte Ausdrucksform der Bourgeoisie zu deuten ist ja auch eine Tradition auf der Linken. Und dann irgendwelche Imperative hinsichtlich dessen, was man sagen darf und was nicht, in den Minderheitenmund zu legen, ist der arbeitenden Bevölkerung so fremd nun auch nicht – übrigens auch hinsichtlich dessen, was PoC äußern, wenn sie auf ihre Geschichte verweisen.

    Deshalb hatte ja der Alte Bolschewik das auch gleich selbst in Frage gestellt und alles ist gut, wirklich, per mail ausgeräumt.

    Ist mir trotzdem ein Bedürfnis, da noch mal drauf hin zu weisen. Weil es solche Strukturen halt gibt, und keiner von uns die haben will.

    momorulez

    13. November 2011 at 22:53

  9. Was ich meinte bezog sich eher darauf, dass die linken Studis, die ja berechtigterweise und sehr solidarisch mit Malochern, Black Panthers und mit Befreiungsbewegungen im Trikont auf die Straße gingen dabei selber teils einen Proletkult und teils eine Guerrillaromantik inszenierten, die für die 67er Bewegung beide von zentraler Bedeutung waren – Studis, die wahlweise als Bürgerschreck oder als klassenbewusste Proleten auftraten und beide Rollen auch mal wechselten, flugblattverteilend am Werkstor aber von den Malochern nicht ernstgenommen wurden – Dauerthema beim Nörgler. Und zur zweiten Hälfte: Der existenzielle Unterschied, ob man sich in Berlin, Paris, Tokio oder Los Angeles mit der Polizei prügelte oder als Partisan auf dem langen Marsch mit dem Maschinengewehr ums Überleben kämpfte, genau dieser Unterschied wurde systematisch ausgeblendet, und ohne diese Ausblendung hätte es Bewegungen wie die RAF wahrscheinlich nie gegeben

    che2001

    14. November 2011 at 10:32

  10. 14 Tage später finde ich Deine Gleichsetzungen unangemessen und undifferenziert. Die Geschehnisse an der Uni in den 60ern kann man mit den shitstorm nicht vergleichen.

    Aber darum geht es gar nicht, sondern um ihre Gegner, die souverän den Inhalt ihrer Stellungnahmen ignorieren und sich entweder an der Form aufhängen oder gleich auf die persönliche Ebene ausweichen, um sie zu diskreditieren.

    Man müßte zunächst einmal klären, wen Du mit Gegner meinst. Da gibt es ja eine ganze Menge Beteiligte der unterschiedlichsten Art.

    Früher hielt ich Lantzschi einfach für eine bloggende Studentin. Wenn ich jetzt den geheimnisvollen Andeutungen über sie nachgehen würde, würde ich mich des Stalkings schuldig machen. Anscheinend gibt es aber ein wenig Unmut. Und der stammt nicht aus irgendeiner konservativen oder maskulistischen Ecke, sondern aus ihrem eigenen Umfeld oder ihr prinzipiell wohlgesonnenen Genossen, Sozis, Feministen, Linke etc. Die Gegner beschäftigen sich sehr wohl mit dem Inhalt ihrer Texte und fast ausschließlich mit ihren Texten. Das Problem an Lantzschi ist ja, daß sie eine Parodie der von ihr repräsentierten Bewegung darstellt. Das wurde sowohl in der Vetter-Affäre als auch jetzt deutlich. In der Vetter-Affäre ging es um das gestörte Verhältnis zur Rechtstaatlichkeit und jetzt um die Kommunikationsunfähigkeit dieser Bewegung.

    Die Angriffe Malte Weldings, so man sie persönlich nennen möchte, halte ich für milde und prinzipiell sogar empathisch. Im Kommentarteil ging es dann – nicht um Lantzschi – sondern um die Zukunft, Sinn und Zweck des Netzfeminismus. Die Lampe spielte nur noch eine untergeordnete Rolle. Ihre eigenen Genossen halte ich für viel bedrohlicher als Peter Scholl-Latour, der unbekannte Masku-Troll und den gesamten Netzpöbel. Es könnte ja sein, daß Lantzschis Genossen sich die Lantzschi vom Halse schaffen, so wie weiland den Beria, natürlich etwas harmloser, nicht mit der Knarre umgelegt. Lantzschi wird dann schuld sein an all den Überspitzungen der feministischen Bewegung. Häßlich!

    Ich sehe nicht, in wie weit Lantzschis Texte und ihr Benehmen sich von dem vieler anderer Autoren der Mädchenmannschaft unterschiede. Helga und Magda würden sicherlich ähnliche Texte verfassen. Diese Texte mit allen ihren Überspitzungen ergeben sich doch aus der Logik der feministischen Theorien. Oder irre ich mich da? Dann müßte man sich mal über Netzfeminismus und ihre Wirkung auf die Öffentlichkeit unterhalten. Bis jetzt vernehme ich nur pauschale Schuldzuweisungen an die Netzöffentlichkeit.

    Was an Schuldzuweisungen, persönlichen Unterstellungen und Diffamierungen in der letzten Woche über Noah Sow und Unterstützerinnen wie Nadine Lantzsch ausgekübelt wurde, steht in keinem Verhältnis zum eigentlichen Anlaß, sondern erinnert an die hysterischen Reaktionen von vor ’68. Willkommen zurück in den 50er Jahren.

    Der Anlaß ist, wie gesagt, irrelevant. Die persönlichen Unterstellungen habe ich nnicht wahrgenommen. Dafür beschäftigte man sich mit Netzfeminismus und dessen Abartigkeiten. Wenn man derartige Kritik, etwa von Kadda als persönlichen Angriff auffaßt, dann kann man den Netzfeministen auch nicht helfen.

    georgi

    21. November 2011 at 20:47

    • Man müßte zunächst einmal klären, wen Du mit Gegner meinst. Da gibt es ja eine ganze Menge Beteiligte der unterschiedlichsten Art.

      Scheint ganz davon abzuhängen, wo man liest. Ich habe hauptsächlich die Kommentare bei Don Alphonso gelesen, und da ging es nicht die Bohne um eine differenzierte Auseinandersetzung, gar um Berechtigung und Grenzen der Sorte Feminismus, wie sie Lantzsch vertritt, sondern da hat sich eine Männerrunde in Stammtischmanier selbst bestätigt.

      Wenn andernorts qualifizierter diskutiert wurde, soll mir das mehr als recht sein, denn natürlich hätte ich auch inhaltliche Kritik an den Positionen, wie sie Lantzsch und auch Sow vertreten. Aber das ist eine Frage des timings…

      alterbolschewik

      21. November 2011 at 22:30

  11. …liegt wahrscheinlich auch daran, daß ich nicht jeden Foren-Troll so ernst nehme, so welche wie hansmeier, savall, stimmvieh, sylter, usedomer u.a. Die überlese ich einfach. Die muß man einfach hinnehmen. In der Tatsache, daß es sie gibt, drücken sich für mich auch keine Herrschaftsverhältnisse aus. Das sind nur Hohlkörper, in denen Ideologie resonante Schwingungen erzeugt. Mit twitter beschäftige ich mich nicht. Den Hergang der Geschichte kenne ich daher nicht. Viel ernster nehme ich dagegen Kadda, Seeliger und Soeder. Das mit dem timing sehe ich auch etwas anders. Das timing um 180grad umgekehrt, und die Sache sähe nicht so nach pauschaler Schuldzuweisung aus.

    georgi

    22. November 2011 at 9:10

  12. @Momrulez, „grenzwertig“: Leitest Du denn aus deinem Marginalisiertenstatus als Schwuler das recht ab, andere abzukanzeln? Scheint mir glatt so.

    Helene

    22. Januar 2012 at 15:00


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