shifting reality

Es gibt kein richtiges Lesen im valschen!

Archive for August 20th, 2007

Meine subkulturelle Verortung

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Wenn schon Momo hier auf seine Roots Bezug nimmt, so will ich mich dem gleich anschließen. Nicht lila Friedenstuch und Kirchentag, sondern schwarz-weiß gewürfelte Kufaya (das „Palästinensertuch“, das im Ursprung ein Kurdentuch ist) und Internationmalismustage, das war so mein Background. Die grün-alternative Szene war für uns ein unzuverlässiger Bündnispartner, von dem anzunehmen war, dass er uns im Stich ließ, sobald der Staat mit einer Kriminalisierungswelle zuschlug. Dementsprechend war unser Verhältnis zu diesem Lager kritisch und ironisch. Parolen wie „Wer hat uns verraten, Spezialdemokraten, wer verrät uns schneller, Grüne und ALer“ gehörten ebenso zum guten Ton wie Anti-Wahlaufkleber mit Parolen wie „Von Krefeld bis zum Kirchentag: Die LiberALen“ und Spaßlisten mit Namen wie „WAHL-Liste“ (Wahrhaft alternative Hochschulliste) und „LOLA“ (Liste ohne lästige Ansprüche). Im Gegensatz zu verschnarchten Marxisten-Leninisten mit ihrem lächerlichen Proletkult waren wir bemüht, hip zu sein, was dann schonmal dazu führte, dass jemand seinen schwarzen Demohelm so pflegte wie der Mantafahrer seinen Hobel. In den 1990ern adaptierte man den Tarantinio-Schwarzenegger-Look, und es gab Plakate, die Arnie mit Pumpgun zeigten und dazu die Parole „Terminiert die herrschende Klasse“. So martialisch waren wir aber in der Realität nicht, eher eine abenteuerlichere Caritas. Man veranstaltete Straßenfeste und Infoveranstaltungen, um Geld zu sammeln, das dann nach Kurdistan, Nicaragua oder Chiapas gebracht wurde, um es den Bedürftigen life in die Hand zu drücken (in Kurdistan-Irak durchaus mit bewaffneter Eskorte, was Osthoff passiert ist wäre den Unsrigen nicht geschehen), und unsere Asylarbeit war in weiten Strecken unbezahlte Sozialarbeit und teilweise sogar Ausländerbeiratstätigkeit, aber die Bereitschaft, im Falle von Pogromen von Neonazis auch die körperliche Auseinandersetzung mit diesen zu führen auch immer vorhanden. Wir haben eine Stadt eine Weiler nazifrei gehalten, weniger durch Gewalt als vielmehr durch Präsenz: s gab eine Telefonkette, die in der Lage war, bei jedem rassistischen Vorkommnis zu jeder Tages- und Nachtzeit 400 Leute binnen einer halben Stunde an den Ort des Geschehens zu mobilisieren. Wenn da 10 Nazis waren, reichte die pure Masee, sie in Schach zu halten.

Unsere Subkultur war kein aus unserer Sicht schon etwas verstaubtes Hippietum, sondern ein Crossover aus Punk, Metal und Hip Hop. In einer befreundeten WG stand ein Schild „Swine Feaver no dismounting“ original vom Truppenübungsplatz, und auf diesem klebte eine Damenbinde mit den mit Edding geschrieben Worten „So ordinär“, und das war Kunst in der Wohnung .

Written by che2001

20. August 2007 at 20:07

Veröffentlicht in Nicht kategorisiert

„Liberaler Geschichtsrevisionismus“

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Na, wenn das und das (gute Antwort) mal nicht hierzu und hierzu paßt.  Wird ergänzend Zeit, demnächst mal einen Eintrag über das „Erfinden von Tabus, gegen die man dann anrennt“ zu verfassen.

Written by momorulez

20. August 2007 at 11:21

„Die Looser unter den Modernisierungsverlierern – Arbeitslose, Alleinerziehende, Ungelernte, Migranten und die meisten Ossis“

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Der Herr Kaiser von der „Vanity Fair“ hat ja richtig für Furore gesorgt. Wie das so ist, wenn man die einst nervtötende „Betroffenheit“ von links gegen das wendet, was man dafür hält. Daß es sich um einen solchen „Betroffenheitsdiskurs“ handelt ist ja offenkundig; nur daß  die Neue Rechte, ganz an jene von einst anknüpfend, da etwas militanter formuliert in der Regel als der „linke Mainstream“.

Diese ziemlich anstrengende Attitüde der Dauer-Empörung über „Etatismus“, „Antiamerikanismus“ usw.,  die die Gefahr des Islam mit einer Inbrunst an die Wand malt, daß ich mich frage, ob wir damals mit den lila Tüchern auf Kirchentagen, „Die Zeit ist da für ein Nein, ein Nein ohne jedes Ja sagt Nein, sagt Nein!“ – gemeint waren Pershings und, allen Unkenrufen zum Trotz, auch die SS20 – nicht saucool und hochdifferenziert gewesen sind. Ich werde dieses Gefühl nicht los, daß die Neue Rechte im Grunde genommen einfach all das adaptiert und radikalisiert hat, was mich an linken Lebenswelten immer schon genervt hat.

Das folgende war’s nicht: Da haben wir zusammen gesungen und freuten uns an unserer Friedlichkeit. Und steckten Polizisten Gänseblümchen ans Revers (nicht aus Kriecherei vor der Uniform, nö, sowas muß man ja heute erklären, und so sexy fetischpartytaugliche Uniformen wie seit Schill die Polizisten hier in Hamburg tragen, hatten die damals auch noch nicht), um von irgendwelchen Junge Union-Kids und Wehrsportgruppenmitgliedern aus den Dörfern rundherum dann ausgelacht zu werden. Ach, es gibt diese Tage, da ist man ganz froh darüber, Gutmensch zu sein. Weil man mit diesem aggresiven Fanatismus, der bei Pro-Westlern sich die Bahnen bricht, eben doch nie mithalten konnte.

Gegen diese wütenden Aufwallungen in Blogs und Lebenwelten, die, glaubt man den NDR 2-Nachrichten von heute morgen, dann vermutlich dazu beitragen, einen Pulk von Indern durch sächsische Städte zu hetzen, ist unsereins ja doch traditionell harmlos.

Kann mich nicht daran erinnern, selbst zu Zeiten, als ich Fees „Amerika“ super fand (fände ich heute nicht mehr) und das „51st State of the USA“ von New Model Army  (letzteres finde ich musikalisch ja immer noch saugut), mit einer Horde von Freunden dann US-Soldaten durch Städte gejagdt zu haben. Nein, nicht weil die sich auch hätten wehren können, so als Nicht-Looser. Wir hätten das FALSCH gefunden. Stattdessen wurden Blockaden vor Mutlangen krimininalisiert. Auch, daß nadelstreifenbeanzugte Börsianer nun permament um ihr Leben fürchten müßten, wenn sie abends durch deutsche Inennstädte gehen, das wäre mir nicht bekannt.

Gab ja mal irgendwann in den 90ern eine Mottofahrt des FC St. Pauli in die Neuen Länder, bei  der unsere Jungs und Mädel aus unseren Fankurven keine Lust mehr hatten, ständig einem prügelwilligen Mob von ekligen Neonazis gegenüber zu stehen. So kleideten sie sich im Gegenzug in Anzüge mit weißen Hemden und Krawatten, und siehe da, nix passierte. Womit der deutsche Dünkel, den der „Brioni-Kanzler“ dann auf den Punkt brachte, wohll bestens  skizziert wäre: Man kriecht vor denen mit Kohle und administrativer Macht und prügelt stattdessen verbal und mancher auch faktisch auf Looser ohne wirtschaftliche Macht ein.

Passend zum Thema  schreibt dann der Anton bei dem Pünktchen, pardon, dem Paul in die Kommentarsektion zu
Herrn Kaisers Betroffenheits-Pamphlet:

 „Und jetzt frage ich mich die ganze Zeit: warum schreien die looser unter den Modernisierungsverlierern – Arbeitslose, Alleinerziehende, Ungelernte, Migranten und die meisten Ossis – nach weniger Markt und mehr (Sozial-)Staat?
Ich kann es einfach nicht verstehen!

besorgt
Anton“

Vielleicht hätte der wirklich mal „Pünktchen und Anton“ von Kästner lesen sollen.  Da geht’s u.a. um eine alleinerziehende Mutter. Die „Looser unter den Moderniserungsverlierern“: Das ist dann der Gestus, der „Opfer!“ brüllt, während er auf dem Schulhof den Dicken mit der Brille zusammentritt. Wird Anton nie gemacht haben und auch nie fordern, dieses Verhalten schreibt einfach nur fort, was der da schreibt.

Ist aber schon wesentliches Element der Linken, genau das Scheiße zu finden, und das ist doch vermutlich der Grund, warum auf diese eingedroschen wird: Weil Solidarität mit den Schwächeren eben nicht paß tin die schöne, neue Welt der  „Eigenverantwortung“, wo einfach nur – und nix anderes – die heroische Seite des Patriarchats fortgesetzt sich findet. Dazu passend die „Alleinerziehenden“ in der Aufzählung,  sind ja meistens Frauen – wirkt  ganz wie in den 50ern, als Mädels, die mit unehelichen Kindern schwanger waren, auch gerne mal aus dem Fenster springen wollten, eine solche Geschichte hat mir mal, nicht lachen, Ted Herold erzählt, wie er eine Freundin vom Sims fischte . Da zeigt wohl, daß der Muff unter den Talaren und andernorten auch weiter lebt, hat sich da gemütlich eingerichtet in den Genitalregionen.

Nee, Leute, man kann’s nicht oft genug betonen: Es geht um Moral, nicht um Ökonomie. Und da ist mir eine friedlich-soldiarische auch weiterhin lieber als dieses permanente Abgewerte von Personen anhand ihres jeweiligen wirtschaftlichen Wertes. „Du Opfer!“ schreien, nee, das überlasse ich mal diesen „Hip Hoppern“, die einfach nur da weiterrappen, wo Anton aufhört zu schreiben  …

Written by momorulez

20. August 2007 at 7:33

„unverdient“: Managergehälter, der FC St. Pauli, meinetwegen auch der HSV und was gerecht ist

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Sorry Jena, nicht der FC St. Pauli sondern der 1. FC Köln haben euch besiegt an diesem Sonntag. So möchte man das herleiten, wenn man pfeifend im Wald von „ausgleichender Gerechtigkeit“ spricht. Und immer wieder wird einem ins Gedächtnis gerufen, dass „verdient gewinnen“ eben nicht in der Natur vorgeschrieben steht.
(Für alle Leser aus der 1. Liga, oder der 3.: St. Pauli verlor sein Auftaktspiel gegen Köln nach überlegendem Spiel 0:2 und siegte in Jena glücklich, dort würde man sagen „unverdient“)

Es kommt nicht von ungefähr, dass ich bei diesen Gedanken auch an die MoPo Schlagzeilen der letzten Tage denken muss, an „Rafael van der Verraat“ oder die Millionenrente von Manager „hastenichtgesehen“. Der Fußball ist eben ein guter Spiegel unserer Welt.

Haltung in windigen Zeiten kann da eine wichtige Maßgabe sein, eben auch anders sein zu können, wie der Fußball der auf St. Pauli gespielt wird, wohl wissend nie ein FC Barcelona werden zu können. Sich einredend es auch nicht zu wollen. Formatiert eben auch das Zerren zwischen Stadteilkultur und Ligabusiness. Der arme HSV kann das übrigens nie mehr. Die Entscheidung ist ihm abgenommen, das Pendel ungesund in eine Richtung ausgeschlagen. Ginge Van der Vaart, wäre das „unverdient“, auch wenn der HSV durch sein Tor verdient gewonnen hat. Kurios.

Übrigens sieht das bei der Stromvesorgung in Hamburg ähnlich aus. Das Schnaufen der Politik nur wärmendes Theater. In Wirklichkeit ist auch hier das Pendel der Interessen aus dem Lot. Der Manager mit seinen Millionen unser kleinestes Krümel an Problemen.

Written by ring2

20. August 2007 at 7:05

Veröffentlicht in die Moral, Würde Ehre stolzieren?