shifting reality

Es gibt kein richtiges Lesen im valschen!

Archive for August 9th, 2007

Mal ein paar doofe Fragen zu den Eigentumsverhältnissen im Allgemeinen und Genossenschaften im Besonderen …

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Bleiben wir doch noch mal bei Herrn von Mises. Auf S. 56 unterscheidet er folgende Typen wirtschaftlicher Organsation:

„Das Zusammenwirken der einzelnen in der arbeitsteiligen Gesellschaft kann man sich in verschiedener Weise vorstellen. Wir können fünf Systeme der Organisation der Gesellschaft unterscheiden: das System des Sondereigentums an den Produktionsmitteln, das wir in seiner entwickelten Form als Kapitalismus bezeichnen, das System des Sondereigentums an den Produktionsmitteln mit periodischer Einziehung allen Güterbesitzes und darauf folgender Neuverteilung, das System des Syndikalismus, das System des Gemeineigentums an den Produktionsmitteln, das unter dem Namen Sozialismus oder Kommunismus bekannt ist, und schließlich das System des Interventionismus. „

Ludwig von Mises, Liberalismus, S. 53

Weiter im Text:

„In großen Teilen des übrigen Osteuropa ist die Aufteilung des landwirtschaftlichen Großgrundeigentums an Kleinbauern unter dem Namen Agrarreform das Ideal einflußreicher politischer Parteien. Es ist überflüssig, sich mit diesem System näher auseinanderzusetzen. Daß sein Erfolg nur in der Herabminderung des Ertrages der menschlichen Arbeit besteht, wird kaum bestritten. Nur dort, wo die Landwirtschaft noch in primitivster Form betrieben wird, kann man die Produktivitätsminderung, die durch die Verteilung eintritt, verkennen. Daß die Zerschlagung eines modern eingerichteten Meierhofes unsinnig ist, wird jeder zugeben. An die Übertragung des Teilungsprinzipes auf die Industrie oder das Verkehrswesen ist überhaupt nicht zu denken. Eine Eisenbahn, ein Walzwerk, eine Maschinenfabrik können nicht aufge-teilt werden. An die Durchführung der periodischen Neuaufteilung des Eigentums könnte man nur schreiten, wenn man vorerst die ganze auf der Grundlage des unbehinderten und unbeschränkten Sondereigentums ausgestaltete arbeitsteilige Volkswirtschaft wieder zerschlägt und zum tauschlosen Nebeneinanderbestehen von selbstgenügsam wirtschaftenden Bauernhöfen zurückkehrt. „

Ebd., S. 54

Soweit zum Thema Öko-Landwirtschaft in kleineren, landwirtschaftlichen Einheiten. Bei Autoren, die sich ständig auf irgendwas, was offenkundig sei, berufen, muß man ja vorsichtig sein. Die haben eigentlich immer was zu verbergen. Floskeln wie „wird jeder zugeben“, autsch, aber wer’s braucht …

Was ich mich so im Anschluß frage, ist ja einserseits das Prinzip der Aktiengesellschaft, andererseits der Genossenschaft. Sind ja prinzipielle Möglichkeiten der zumindest Anders-Verteilung von Eigentum. Wird ja kaum jeder zugeben, auch wenn Herr von Mises das gerne so hätte, daß aus der vermeindlichen Unsinnigkeit, unter „modernen“ Arbeitsbedingungen und der Notwendigkeit der Arbeitsteilung – vielleicht isses ja auch nur ein Notbehelf, die Arbeitsteilung – bei gleichzeitiger Nicht-Teilbarkeit der Produktionsmittel dann eben deren Besitz in einer Hand folgen würde. Zudem faktisch sowieso das meiste eher den Banken gehört.

Zurück zur Teilbarkeit des Eigentums an Produktionsmitteln: Belegschaften zu Zeiten der New Economy wurden ja damit eingelullt, daß sie nun alle Unternehmer seien, das ganze als Form innerbetrieblicher Demokratie gefeiert, die ja viel moderner sei als die „anachronistische“ Rechtsinstitution des Betriebsrates.

De facto blieben aber über 70% in Händen der Alt-Gesellschafter wie auch neuer Vorstandsmitglieder, die man brauchte, um den ganzen Börsendiskurs nach außen angemessen zu führen, und der Rest wurde gestreut. Also ungefähr jene Stimmenverhältnisse, die Wirtschaftsapaologeten auch gesamtgesellschaftlich – vermutlich nur – ideal fänden.

Und wie ist das jetzt bei Genossenschaften? Ich kenne diese Modelle viel zu wenig, und meines Wissens haben die sich als Antwort auf das skizzierte, „Misessche Problem“ gebildet. Sie entsprechen wohl dem, was er als „Syndikalismus“ so klassifiziert:

Die Idee des Syndikalismus stellt den Versuch dar, das Ideal der gleichmäßigen Verteilung des Eigentums den Verhältnissen der modernen Großbetriebe anzupassen. Der Syndikalismus will das Eigentum an den Produktionsmitteln weder einzelnen noch der Gesellschaft übertragen, sondern den in dem betreffenden Betriebe oder Produktionszweig beschäftigten Arbeitern.

Da nun in den verschiedenen Produktionszweigen das Verhältnis, in dem die sachlichen und die persönlichen Produktionsfaktoren kombiniert werden, nicht dasselbe ist, würde auf diesem Wege keineswegs Gleichheit der Besitzverteilung erreicht werden können. Von vornherein schon wird in einigen Erwerbszweigen der Arbeiter eine größere Besitzausstattung empfangen als in anderen. Nun denke man erst an die Schwierigkeiten, die durch die immerfort in der Wirtschaft gegebene Notwendigkeit, Kapital und Arbeit zwischen den Produktionszweigen zu verschieben, entstehen müssen. Wird es möglich sein, einem Produktionszweig Kapital zu entziehen, um einen anderen damit reicher auszustatten? Wird es möglich sein, Arbeiter aus einem Produk-tionszweig abzuziehen, um sie in einen anderen zu versetzen, in dem die Kapitalausstattung pro Kopf des Arbeiters geringer ist? „

Ebd., S. 54-55

Ich verstehe die Frage gar nicht. Die stellt sich doch nur, wenn man eine Gesamtheit von Arbeitenden behauptet, die dann insgesamt und übergreifend zu organsieren wären, nicht jedoch, wenn sich ein paar Leute zusammentuen und ’nen Mähdrescher kaufen. Kann man auch in einer GbR oder GmbH machen, sowas, aber worin unterscheidet sich nun davon das genossenschaftliche Modell?

Interessant ist entsprechend auch die folgende Behauptung:

„Sozialismus und Kommunismus ist jene Organisation der Gesellschaft, bei der das Eigentum – die Verfügungsgewalt über alle Produktionsmittel – der Gesellschaft, das ist dem Staat als dem gesellschaftlichen Zwangsapparat, zusteht.“

Das ist ja für mich immer schon unplausibel und hat z.B. mit Marx auch nicht allzu viel zu tun, soweit ich weiß, wieso denn dann automatisch „Staat“ in’s Rennen geschickt werden müßte.

Gemeinschaftseigentum an Produktionsmitteln muß doch nicht notwendig staatlich organisiert sein; es bedarf lediglich der Rechtsinstitutionen, die andere Gesellschaftsformen ermöglichen. Und wenn man z.B. diese statt Börsengewinnen steuerlich priveligierte, wie’s beim gemeinnützigen Sektor auch der Fall ist, wo ist denn da das Problem?

Das zieht sich auch so durch durch den Mises-Text: Der geht auf’s Ganze, nicht auf die Teile. Das ist doch eine in sich schon völlig krude Vorstellung, die sich wohl seines Utilitarismus verdankt, wobei er auf die Formulierung des „größtmöglichen Wohls der größtmöglichen Zahl“ abhebt, was ja noch irgendwelche realen Referenzen vorstellbar macht. Und wenn’s dann eben nur wenigen gut geht, war’s halt unter aktuellen Bedingungen die größtmögliche Zahl, so what, so kann man sich dann ja immer rausreden.

Was ja gar nicht das Problem ist, das Problem ist nun ausnahmsweise, daß er mit dem Begriff der „Gesellschaft“ arbeitet und dann immanent vor sich hindenkt. Da kommt dann so ein seltsamer Holismus bei raus, der all die denkbaren Strukturen ganz realen Networkings zwischen kleinen Einheiten, der bis zu einem gewissen Punkt ja auch im ganz realen Kaptalismus möglich ist, gar nicht fassen kann. Oder irre ich? Und kann mich mal jemand über Genossenschaftsmodelle aufklären? Und was tritt an die Stelle der Frage nach dem Eigentum an Produktionsmitteln, wo die Großindustrien eh schon zu großen Teilen zusammengebrochen sind bzw. die Produktion exportiert wurde und Gewinne in ganz anderen Kontexten erwirtschaftet werden? Weltweit ist’s weiterhin die Landwirtschaft und somitt Bodenbesitz und Zugang zu Wasser, z.B., , jetzt mal auf den Einzelnen, nicht die mit den größten Gewinnen bezogen – aber was is’n hierzulande aktuell das Produktionsmittel?

Written by momorulez

9. August 2007 at 15:44

Veröffentlicht in Ökonomie

607.468

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Stimmen sind etwas wunderbares. Deshalb hat jeder Mensch eben auch nur eine. Alles andere würde uns verwirren. Übrigens genauso interessant, dass man auch nur ein Ehrenwort hat. Im Gegensatz zur Stimme, dies aber verlieren, vergeben und verpfänden darf. Die Stimme behält man. Nur was sie wert ist, dass entscheiden dann wieder andere. Komischerweise diejenigen, auf deren Wort ich aus langer Erfahrung wenig gebe, aber das ist eine andere Geschichte.

Oder eben nicht, denn in Hamburg kämpfen sie darum, dass die Stimme der Hamburger Bürger wieder etwas zählt und nicht von Ole und seinen Zirkeldemokraten einfach von eichenen Tisch gewischt wird.

Dieser Kampf geht jetzt in die dritte Runde, eine 607.468 Stimmen hohe Hürde steht vor der Wiederbelebung der sterbenden Demokratie in Hamburg:

Volksentscheid am 14. Oktober
Diesmal geht es ums Ganze: Gerade noch rechtzeitig vor den Hamburger Herbstferien, nämlich am Sonntag, den 14.Oktober 2007, wird der Volksentscheid stattfinden, bei dem die Bürgerinnen und Bürger darüber abstimmen, ob sich Senat und Parlament in Zukunft stärker an die Ergebnisse von Volksentscheiden halten müssen.

Ich werde mir die Briefwahlunterlagen zuschicken lassen, auch wenn ich wegen der Teilnahme der GRUENEN einen bitteren und schalen Geschmack auf der Zunge behalte. Immerhin waren es die Grünen in Altona, die das alte Bismarckbad – gegen den erklärten Willen der Altonaer! – mit der CDU in den Schlund von Immobilienheuschrecken geworfen haben: PFUI hierfür nochmal. Dennoch, auch wenn die Biester in der politik tatsächlich ohne Ehre und Wort sind, die Ehre unserer Stimme ist es wert.

Written by ring2

9. August 2007 at 13:23

Veröffentlicht in Regierung der Kultur